Gedanken und Erinnerungen

Ein Gespräch mit Hans Hüngsberg und Jörg-Peter Schlieder vom Vorstand der JBH

Hans Hüngsberg und Jörg-Peter Schlieder im Gespräch (von links).
Hans Hüngsberg und Jörg-Peter Schlieder im Gespräch (von links).

Siegburg. Dreißig Jahre, von der Gründung der Jugendbehindertenhilfe Siegburg Rhein-Sieg e. V. bis zur heutigen Trägerschaft von zwei Kindertagesstätten mit inklusivem Konzept, war es ein langer Weg. Vereinsvorsitzender Hans Hüngsberg (HH) und das Vorstandsmitglied Jörg-Peter Schlieder (JPS) ließen die Vergangenheit im Gespräch Revue passieren, richteten den Blick aber auch auf das Heute und Morgen.

 

HH: Es hat niemand damit gerechnet, dass aus einer privaten Initiative so etwas Großes wird. Zuerst wollten wir etwas für ältere Menschen machen, zum Beispiel Weihnachtspakete, wie die Schützen das machen. Wir haben uns angestrengt und beginnend vom Herbst 1985 über Weihnachten und Karneval 1986 gekellnert. Es gab am Anfang keine Probleme, höchstens welche mit den Füßen. Zunächst wollten wir den Erlös 1986 zu Weihnachten verwenden, doch dann kam der Frühlingsball im Kolpinghaus ins Spiel. Dort kamen die ersten 930 Mark zusammen. Horst Karfurke hat damals vorgeschlagen: „Lass uns das Geld doch dem Ehmann-Heim geben.“ Ich kannte das gar nicht. Wir wussten, dass da ein Heim war, aber mehr auch nicht. Horst Kafurke und meine Person haben das Geld zur Frau Dr. Ehmann gebracht. Das werde ich nie vergessen. Da gab es ein Kind in einem Laufställchen, dem lief der Speichel auf ein Tuch. Das hab ich genommen und ihm den Mund abgeputzt. Es begann mit mir Blickkontakt aufzunehmen. Ich kann nicht sagen, wie es mir da war, aber es war schon ganz anders. Frau Dr. Ehmann hat hinter mir gestanden und gesagt: „Herr Hüngsberg, immer schon dabei gewesen, nicht wahr?“ Im Anschluss daran haben wir die Spende übergeben und sind gegangen. Dann stellte sich die Frage, was machen wir denn jetzt? „Ja, weitermachen.“ Eines Tages, 1987, komme ich am Schützenhaus vorbei und denke: „Ach, geh da mal rein. Dort könnte man ja mal eine Veranstaltung machen.“ Dort putzte die Frau Wohlhagen den Saal. Die hat den Termin für 1988 herausgesucht. „Das bekommst du umsonst von uns, du musst dich nur um eine Kapelle bemühen und um eine schöne Tombola“, sagte sie. Das war kein Problem für mich. Die im Vorstand sagten: „Bist verrückt, ein Wohltätigkeitsball kostet doch Geld.“ Ich sagte: „Macht euch keinen Kopf deswegen, das mache ich.“ Da war schon damals das Ehepaar Keller im Boot mit großzügiger Unterstützung. Und wenn da ein 500 DM Schein kam, das war unheimlich viel Geld. Als wir auch mal einen 1000er erhielten, da waren wir happy, das kriegte doch keiner. Über den Sozialamtsleiter Horst Tschage, wussten wir, wo Not bei Familien mit vielen Kindern war, aber es musste immer mindestens ein Kind mit Behinderung dabei sein. Es wurde dann immer mehr, wie Möbel oder Mutter-Kind-Kuren. 1989 sprach mich Olaf Schiemann an: „Hast du auch mal Ferienfreizeiten gemacht, Hans?“ Da hatte ich aber keine Ahnung. Bevor ich da weitermachen konnte, musste ich, da ich ja bei der Bundeswehr anstellig war, beim zuständigen Dezernatsleiter antanzen. Ich hatte morgens schon ein komisches Gefühl. Er hat gefragt: „Können sie sich vorstellen, warum sie hier sind?“ – „Hat man mich angeschissen?“, erwiderte ich. Ich habe erzählt, was ich so mache und welche Erfolge ich dabei hatte. Meine Referenzen waren allgemein im Rhein-Sieg-Kreis, die Förderschulen in Köln, Sankt Augustin, Bonn und in Euskirchen. Vierzehn Tage drauf, ließ er mich kommen, und zeigte mir seine Tafel im Flur, wo die Offiziere sich ein- und austragen mussten. Dort stand JBH neben einem Kästchen geschrieben. „Wenn Sie Zeit in Anspruch nehmen wollen, machen sie da ein Kreuz rein. Sie sind keinem mehr verpflichtet, nur noch mir.“ Dann hat er mir einen Hauptmann beiseite gestellt, der hatte eine mehrfach schwerstbehinderte Tochter. Diese haben wir auf eine 14-tägige Ferienfreizeit nach Belgien mitgenommen.

1994 stand die Kindertagesstätte an. Wir hatten ja bis zu dem Zeitpunkt schon unheimlich viel getan. Es hieß wieder: „Hännes, das ist doch alles teuer. Wer soll das denn machen?“ Ich dachte, da musst du doch bei der Bundeswehr nachfragen und zum Kasernenkommandanten gehen. So kam ich zum ersten Mal mit Oberstleutnant Jörg Schlieder in Verbindung.

 

JPS: Mein damaliges Vorzimmer sagte, da steht ein Herr Hüngsberg draußen. Kenne ich nicht, also herein. Er hat sein Anliegen dargestellt, eine Kindertagesstätte zu bauen und fragte, ob die Bundeswehr hier mit schwerem Baugerät unterstützen kann. Ich teilte ihm mit, dass die Kosten dafür sicherlich höher sind, als wenn man Baugeräte vom freien Markt nutzen würde – unabhängig davon, ob eine Bereitstellung überhaupt möglich ist. Ich habe ihn einige Wochen später informiert, dass es leider nicht geht. Damit war die Geschichte für mich erst einmal ausgestanden.

 

HH: Auf jeden Fall haben wir das alles trotzdem gestemmt und sind 1996 in den Betrieb gegangen. Ohne die große finanzielle Unterstützung des Ehepaares Keller wäre der Bau der Kinderburg in der gewünschten Bauweise nicht möglich gewesen. Dann entstand die Idee, etwas Sportliches für Jugendliche machen. Den Anstoß gab Frau Herzog, eine Sportlehrerin aus der Behindertenschule in Sankt Augustin. Eines Tages ging ich zu einem Empfang, an dem auch der Kasernenkommandant, Oberstleutnant Schlieder, teilnahm. Du hast mich nur mal ganz kurz angehört und gebeten, einen Termin im Büro zu machen.

 

JPS: Das Ganze war im Frühsommer 1995. Da fragte Hans mich, ob es möglich ist, in der Kasernenanlage integrative Jugendspiele durchzuführen, also eine Sportveranstaltung von Behinderten mit Nichtbehinderten. Die Möglichkeit bestand sicherlich, wir konnten Sporthallen und Plätze zur Verfügung stellen. Doch Hans kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn ich stand unmittelbar vor der Versetzung. Ich konnte nichts versprechen, habe aber zugesagt, meinem Nachfolger Oberstleutnant Karl-Hermann (genannt Charly) Feldmann die Sache wohlwollend ans Herz zu legen.

 

HH: Ich wollte den Vorstand immer vor vollendete Tatsachen stellen, weil grundsätzlich die Frage gestellt wurde, wer soll das bezahlen. Das nervt mit der Zeit, aber da brauchte sich auch keiner darum zu kümmern. Aber so war Jörg Schlieder auch Teil der JBH-Entwicklung, weil er das Vorhaben ja befürwortet und weitergegeben hat. Und wir haben ja auch sehr viele gemeinsame Erlebnisse gehabt, zum Beispiel die Ferienfreizeiten. Hafenfeste sind zugunsten der Jugendbehindertenhilfe durchgeführt worden und wir haben Schifffahrten mit den Kindern gemacht.

 

JPS: Vielleicht sagst du noch etwas zu den ersten Jugendspielen 1997 in der Kaserne?

 

HH: Ich war froh, dass Oberstleutnant Feldmann diese Idee nicht nur aufnahm, sondern mit Initiative und großem Engagement alle Maßnahmen zur Umsetzung ergriff. Dabei wurde er in lobenswerter Weise von Hauptmann Axel Sieber unterstützt, der die Durchführung später ganz übernahm. Es gibt da ein Bild mit Anita (Breitfeld) und von mir auf den Rollfiets.

 

JPS: Die Beteiligung war damals überwiegend noch mit Kölner Schulen aus Porz-Wahn.

 

HH: Und aus Siegburg, wie von der berufsbildenden Schule, das war Frau Braun-Schwarz als Lehrerin. Die ersten Veranstaltungen waren mit rund 150 Kindern, das wuchs allerdings über die Jahre immer mehr, teilweise waren es bis 1.400 Teilnehmern. Bis 2001 fanden die Spiele in der Kaserne statt, doch dann gab es aufgrund der fürchterlichen Attentate in New York neue Sicherheitsauflagen. Von 2002 bis 2009 wurden diese Spiele in Siegburg durchgeführt,

 

JPS: In den letzten Jahren hatte sich herausgestellt, dass die Schülerzahlen immer geringer wurden, der Aufwand jedoch gleich hoch blieb. Wir hatten immer um die 180 bis 200 Hilfskräfte, so dass manchmal mehr Unterstützer als Teilnehmer vor Ort waren. Über das Schulamt der Stadt Siegburg hatte ich die Möglichkeit, bei einer Schulleiterkonferenz dabei zu sein. Ich habe den Schulleitern die Frage gestellt: „Wollen Sie denn überhaupt noch diese Spiele?“ Es hat sich dann ergeben, dass im Wesentlichen kein Interesse mehr da war. So endeten 2009 die integrativen Jugendspiele.

 

HH: 2003 gingst du nicht nur in den Ruhestand, sondern du warst auch zum ersten Mal auf der Bühne der JBH, beziehungsweise bei den Spielen. Du hast ja auch mit geplant...

 

JPS: Ich hatte 1995 gesagt: „Herr Hüngsberg, wenn ich wieder hierher zurückkomme, um meinen Ruhestand zu genießen, sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie meine Unterstützung benötigen.“ Ich habe über Hauptmann Axel Sieber immer gewusst, dass diese Spiele stattfinden. Mit ihm zusammen habe ich dann die Organisation dieser Spiele bis 2009 übernommen. Und wie es beim Herrn Hüngsberg immer so ist: wenn man den kleinen Finger gibt, ist schnell der ganze Körper dran. Er fragte mich: „Wollen Sie nicht im Vorstand weitermachen?“ Und so bin ich über den Beisitzer irgendwann zum ersten Geschäftsführer gekommen. Die Jugendspiele waren also der Ausgangspunkt für alles Weitere im Hinblick auf notwendige strukturelle und organisatorische Veränderungen. Ich durfte dabei unterstützen.

 

HH: Die Beiträge von dir waren immer gezielt und genau. Da dachte ich mir, der Jörg wäre doch für den Geschäftsführer keine schlechte Idee. Das ist der Beginn der Ära, die die JBH ganz langsam veränderte. Jörg ist wie eine Glucke, die ihr Kind großzieht. Er passt auf mich auf. Meine Wege gingen ja auch manchmal anders, dann sagte er mir: „Nein Hans, mal so und so, das und das, dies und jenes ...so geht das nicht“ Das hat mir gefallen und gefällt mir bis heute noch. Wie ich ticke, das hatte er auch schnell raus. Ich übernahm alles was mit Sponsoren zu tun hatte, war und bin dafür immer unterwegs. Natürlich gab es noch zusätzlich Aufgaben in den Tagesstätten. Ich hab selbst viel gearbeitet, auch samstags und sonntags, aber es hat mich nie gestört. Ich habe immer darauf geachtet, dass die Einrichtungen im Top-Zustand sind. Die Angestellten mussten fachliche Qualität haben.

Im Anschluss kam die Situation Qualitätsmanagement ins Haus. Das war ja nicht so einfach. Das Qualitätsmanagement baute man nach und nach auf, auch durch Jörgs Engagement. Er hat ja Ahnung davon. Soviel ich weiß, kommt das ursprünglich von der von der Bundeswehr.

 

JPS: Na ja, mehr aus der Unternehmenskultur.

 

HH: Also, du weiß schon, wie man das macht. Das sieht man ja auch an der Qualität, die bei uns im Ganzen Einzug gehalten hat. Dies merkt man auch bei den Gesprächen. Hier war wirklich einer, der mit Menschen umgehen konnte. Ich hatte nun eine Hilfe und dachte immer, hoffentlich sieht der auch, dass ich nicht faul bin. Ich bin eigentlich froh, weil ich dadurch noch ein Stück lernen konnte, mich zurückzuhalten, nicht zu schnell zu sein, hier und da noch stärker aufzupassen. Ich wollte aber noch erzählen, was mich damals fast vor Überraschung aus der Bahn geworfen hat. Ich kehrte aus der Reha zurück, da sagte meine Frau Inge: „Bald ist dein Ehrentag bei der Bundeswehr. Du sollst da eine hohe Auszeichnung bekommen.“ Für mich war das etwas, was ich für den Verein nehmen würde. Ich durfte dazu aber nur meine nächsten Verwandten einladen.

 

JPS: Vergiss nicht zu sagen, dass es die Auszeichnung mit dem Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland war.

 

HH: Danach wurden wir zur Kreissparkasse gefahren. Ich wurde richtig rundgereicht. Da saßen alle in einem langen Saal. Frau Keller sagte dort zu mir: „Dieses Kreuz, das machen sie jetzt aber nicht ab, das bleibt bis diese Nacht um 24 Uhr dran.“

 

JPS: Ich war 2003 über die Jugendspiele quasi in die JBH gekommen, und so sieht man auch ein bisschen über den Rand hinaus. Ich habe also anhand der einzelnen Gespräche bei der Vereinsarbeit festgestellt, dass man dort einiges verändern muss im Hinblick auf Nachweisführung von Gesprächen und die Verbesserung der Dokumentationen. Das hing auch mit QM zusammen, was am Anfang für viele Mitarbeiter eher ein Mittel der Überprüfung war und weniger als ein Organisationselement zur Verbesserung der Abläufe gesehen wurde. Man musste sie davon überzeugen, dass das System Hilfestellung gibt und dabei zu einem höheren Maß an Vorgehenssicherheit führt. Das dauerte seine Zeit.

Dazu kam, dass über die Stadt angefragt wurde, ob „Die kleinen Strolche“ als Einrichtung auf dem Stallberg durch die Jugendbehindertenhilfe übernommen werden könnte. Die Kirchengemeinde wollte diese Kindertagesstätte mit fester Absicht abgeben. So wurde ich in dieser Situation durch den Vorstand der JBH beauftragt, die Übernahme vorzubereiten und die Übergabe sicherzustellen. Das erzbischöfliche Generalvikariat in Köln hat letztendlich entschieden und so erhielten ab 1. August 2008 „die kleinen Strolche“ einen neuen Träger, nämlich die Jugendbehindertenhilfe. Die Mitarbeiter hatten damals große Sorgen um ihren Arbeitsplatz und wussten auch nicht, was das denn für ein neuer Träger ist? So haben wir beide mit der Leitung Frau Pogner und den Mitarbeiterinnen eine Reihe von Gesprächen geführt, um diese Unsicherheiten zu nehmen. Das Vertrauen zum neuen Träger entstand nicht von heute auf morgen, sondern wuchs erst. Wir können da nur sehr dankbar sein. Wir haben eine wunderbare Kindertagesstätte übernommen mit einer hervorragenden Leiterin und einer Stammbesetzung, die sich im Laufe der letzten sieben Jahre auch etwas geändert hat, aber es ist ein Haus, das von der pädagogischen Seite wunderbar geführt worden ist. Mit der Übernahme wurde allerdings auch eindeutig Sanierungsbedarf festgestellt, erst im Kellerbereich und auch bei den Versorgungsleitungen. Zusätzlich kam die Erweiterung auf vier Gruppen mit einem Anbau. Sanierung und Ausbau haben uns finanziell sehr stark belastet. Das Budget, das uns von der Stadt und vom Land zur Verfügung gestellt worden ist, reichte bei Weitem nicht aus. Vor allem im Außenbereich war eine ganze Menge von Altlasten zu beseitigen, um den Kindern eine Freifläche anzubieten, in dem sie auch wirklich unbelastet spielen konnten. Dazu stand auch noch der Umbau der Kinderburg an. Im Rahmen der U3-Regelung musste man die Infrastruktur so herrichten, dass diese U3-Kinder auch Schlafräume und Betreuungsräume haben. In den beiden Außenbereichen der Einrichtung wurde also ein zusätzlicher Anbau geschaffen, so dass wir eigentlich alles in allem sechs Jahre für diese Baumaßnahmen mit den beiden jeweiligen Architekten de Corné und Husemann gebraucht haben. Jetzt haben wir oben eine wunderbare Infrastruktur mit vier Gruppen und unten mit fünf Gruppen, zusammen über 160 Kindern, davon 28 Kinder mit Behinderung. Wir besitzen einen festen Mitarbeiterstamm und eine Struktur in den Gesprächen mit den Eltern. Es gibt den sogenannten Rat der Einrichtung, in dem man vier Mal im Jahr aus der Trägersicht mit den Leitungen zusammenkommt, außerdem haben wir laufend Trägergespräche. Die Bewertung der Anfangsjahre zu heute ist was völlig anderes. Man kann nicht mehr zwei Einrichtungen unter dem heutigen rechtlichen Bedingungen so einfach aus der Hüfte schießen, sondern da muss wirklich eine starke Struktur dahinter sein. In der Kinderburg haben auch wir seit fünf Jahren eine Leitung, die hervorragende Arbeit leistet. Beide Leitungen haben ein genügendes Maß an Selbstständigkeit, um alle Aufgaben bestens zu erfüllen. Sie wissen aber auch, dass der Träger immer hinter ihnen steht und das ist immer unverändert Herr Hüngsberg. Wenn irgendwas da umfällt, ist er derjenige, der es wieder aufrichtet. Und wenn jemand sagt, da könnte man mal eine Verbesserung machen, nimmt er das natürlich auch immer sofort auf und wir reden darüber. Wir schätzen uns beide sehr, kennen unsere Grenzen, aber auch unsere Möglichkeiten genau, so dass wir daraus möglichst ein Optimum erreichen können. In den Gesprächen mit den Sponsoren ist Hans einmalig, unschlagbar und bewunderungswürdig. Er ist in Siegburg so gut vernetzt, besser kann man gar nicht vernetzt sein. Und ich darf ihn unterstützen, muss aber manchmal auch kritisch sein. Dann hole ich ihn hier und da mal runter, um zu sagen, pass auf, erstens dürfen wir unsere Mitarbeiter nicht überfordern und zweitens uns auch selbst nicht. Wir würden gerne noch Kompetenzen abgeben, aber unsere Vorstandsmitglieder sind alle berufstätig. Dennoch stellen sie genügend Zeit zur Verfügung, um uns immer wieder hilfreich zu unterstützen. Ohne den Vorstand, die viele Sponsoren und vor allem unsere Verwaltungsratsmitglieder würde das alles auch nicht gehen.

 

HH: Deshalb ist das ja auch so schwer, wenn Jahreshauptversammlung ist und neue Wahlen anstehen. Du kannst nicht einen Beisitzer aus diesen Anwesenden auswählen und in eine geschäftsführende Funktion reinwählen lassen. Das geht anders, ein Kandidat muss vorher Interesse zeigen oder gezielt angesprochen werden. Ich bin ja ein sehr ehrlicher Mensch und hab noch keinem etwas vorgemacht. Ich weise immer auf die Leute hin, mit denen ich zusammenarbeite und das ist zu 90 Prozent der Alltagsarbeit Jörg.

 

JPS: Mit der Aufgabe der Jugendspiele 2009 haben wir einen anderen Veranstaltungsschwerpunkt, das Entenrennen. Auch diese Veranstaltung ist ausgerichtet, dass alle Gewinne, und in diesem Jahr sind das über 6.100 Euro, immer den Kindern in den Kindertagesstätten zugute kommen. Die Veranstaltung ist jedes Jahr größer geworden, das Interesse der Bevölkerung hat sich deutlich erhöht. Das liegt in dankenswerter Weise auch an unseren vielen Sponsoren, vor allem an OBI, die den Parkplatz zur Verfügung stellen, damit wir diese Veranstaltung durchführen können. Aber es geht nicht immer alles so glatt. Sorgen macht uns die politische Entscheidung des Landschaftsverbandes Rheinland, zum 1. August 2016, die Förderung in den integrativen Einrichtungen aufzugeben. Der Verzicht auf die weitere Bezahlung der Therapeuten führt zu einem Problem für uns, innerhalb unseres Betreuungskonzeptes und der Qualität, die wir haben. Wenn wir Therapeuten nicht mehr bezahlt bekommen, können diese bei uns nicht mehr eingesetzt werden. Damit kann die Arbeit für die Kinder mit Förderbedarf oder mit Behinderung, die hier Bedarf haben, nicht mehr geleistet werden. Wir versuchen, ohne dass wir eine wesentliche Unterstützung von der Politik bekommen, in eigener Entscheidung eine Alternative zu schaffen, in der wir ein sogenanntes Kompetenzzentrum einrichten. Das neue Konzept beinhaltet, dass die Therapieleistungen nicht mehr vom Landschaftsverband getragen werden, sondern bei Krankenkassen über Rezepte abzurechnen sind. Die neuen Forderungen versuchen wir in dieses Kompetenzzentrum einzubinden, um unsere Therapeuten zu behalten, damit sie ihre Arbeit am Kind, das Förderbedarf hat, unverändert durchführen können und es in seiner Entwicklung nicht unterbrochen wird. Die Umstellung fordert uns jetzt schon in hohem Maße, nicht nur finanziell, sondern administrativ und zeitlich, um alle diese Schritte zeitgerecht durchzuführen, damit wir in der Lage sind, eine Kassenzulassung zum 1. August des nächsten Jahres zu erreichen. Wir werden das Kompetenzzentrum in der Kinderburg „Veronika Keller“ bilden. Die Therapieräume stehen zur Verfügung und sind bereits schon auf diese neue Situation eingerichtet. Alle organisatorischen Maßnahmen sind veranlasst. Wir werden das einzige Kompetenzzentrum in Siegburg sein, so dass wir unsere Therapeuten auch Kindern in anderen Kindertagesstätten, die dort Förderbedarf haben, zur Verfügung stellen können. Abrechnungen erfolgen, wie gesagt, über Rezepte. Es sind bereits Schreiben an alle Einrichtungsträger und Einrichtungen, an Krankenkassen und Kinderärzte entsandt worden, in dem wir diese Situation dargestellt und auch um Mitarbeit gebeten haben. Wir werden jetzt in den nächsten Wochen und Monaten, auch mit Unterstützung der Stadt Siegburg, dieses Kompetenzzentrum so entwickeln, dass wir in der Lage sind, unseren interdisziplinären Ansatz, das heißt, die enge Zusammenarbeit zwischen Pädagogen und Therapeuten, aufrecht zu erhalten, damit die Betreuungsqualität, die wir seit vielen Jahren aufgebaut haben, im inklusiven Ansatz nicht verloren geht, sondern weiterhin den Eltern und vor allem den Kindern zur Verfügung steht. Das ist eine Situation, in der wir sicherlich auch mit externen Therapeuten in einer Konkurrenzsituation stehen, die nicht die Erfahrung mit Kindern in Kindertagesstätten haben, weil das eine ganz spezielle Qualität sowie Kenntnisse und Erfahrungen in der praktischen Alltagsarbeit erfordert.

 

HH: Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass die Verantwortlichen, die Politiker, aber auch die Leute in den Ämtern, endlich einmal verstehen, dass es nicht um die eigenen Bedürfnisse, sondern um die der Kinder geht. Und wenn man daran denkt, was da pädagogisch und therapeutisch verloren geht, wo wir gerade von interdisziplinärer Betreuung sprechen, das ist bei uns das frühzeitige Erkennen von Förderbedarfen. Das würde alles flach fallen, wenn die interdisziplinäre Arbeit nicht mehr zum Tragen kommt. Man kann aber niemanden zwingen, etwas dazu beizutragen, man kann nur überzeugen. Ich hoffe darauf und werde meinen Beitrag dazu unermüdlich leisten.

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