Vorreiter mit innovativen Ideen und Taten

Die „Jugendbehindertenhilfe“ blickt 2015 auf drei erfolgreiche Jahrzehnte zurück

Die sieben „Idealisten“ bei der Gründungsversammlung im Kolpinghaus im Jahr 1987.
Die sieben „Idealisten“ bei der Gründungsversammlung im Kolpinghaus im Jahr 1987.

Siegburg. Ganz gleich, ob das flotte Entenrennen, der Kölner Spielecircus, der beliebte Reibekuchenwagen oder die beiden Tagesstätten Kinderburg „Veronika Keller" und „Die kleinen Strolche", für dies alles ist die „Jugendbehindertenhilfe Siegburg Rhein-Sieg e.V." (JBH) in der Öffentlichkeit bekannt. Im September feiert die Organisation ihr 30-jähriges Bestehen.

Doch die eigentliche Arbeit der JBH geschieht im Verborgenen. Die Kernaufgabe des gemeinnützigen Vereins war es von Beginn an, akute Hilfe zu leisten, wenn die öffentliche Hand dazu keine Möglichkeit bereithält. Damals kam eine Familie, die ein behindertes Kind zu versorgen hatte, oft in finanzielle Schwierigkeiten. Es musste etwa ein besonderes Musikinstrument angeschafft werden, ein Spezialtisch oder eine individuelle Vorrichtung, die in keinem amtlichen Katalog standen, um den Alltag einfacher zu machen. Hier sprang die JBH ein, ging mit Einkaufen und bezahlte dann das häufig sehr teure Produkt. Bekleidung, Übernahmen von Mutter-Kind-Kuren oder Einzelbetreuungen fielen ebenfalls in dieses Ressort. Geboren wurde die Initiative in einer Siegburger Gaststätte. Im Herbst 1985 beschlossen hier ein paar „Idealisten", in einem konkreten Fall ohne großen Verwaltungsaufwand, zu helfen. Infolgedessen gingen Hans Hüngsberg und Hermann Josef Parsch ehrenamtlich kellnern. Den Erlös von 150 DM legten sie auf die hohe Kante. 1986 erwirtschafteten die „Kellner" bei einem Karnevalsfest weitere 380 DM. Danach ging es Schlag auf Schlag. Ein Frühlingsfest mit Tombola wurde organisiert und die Hauptpreise mit dem Geld finanziert. Das Fest erwies sich als ein voller Erfolg und brachte 930 DM. Über diese erste Spende freute sich das Dr. Ehmann-Kinderheim. 1987 kam es zu einem weiteren Frühlingsfest mit Tombola und ehrenamtlichen Musik- und Tanzgruppen. Der Zuspruch, auch vom damaligen Vizebürgermeister Rolf Krieger, ermutigte die inzwischen acht Aktiven zur Gründung des Vereins „JBH Siegburg", der dann im November im Vereinsregister seinen Platz fand. Die Mitgliederzahlen wuchsen und die Aufgaben wurden vielfältiger. 1990 begannen die integrativen Ferienfreizeiten mit einer Tour nach Nordenham an der Weser. Diese selbst organisierte und finanzierte Aktion bescherte 23 behinderten und nichtbehinderten Kindern einen unvergesslichen 14-tägigen Urlaub. Das Spendenaufkommen erreichte zu diesem Zeitpunkt die 25.000 DM-Grenze. 1991 startete die erste Fahrt ins Phantasialand nach Brühl, die heute immer noch bei Schulklassen riesigen Anklang findet. Viele Veranstaltungen, wie das Grill-Dancing, Wohltätigkeitsbälle, Konzerte und die beliebten Herseler Hafenfeste spülten Geld in die Kasse des Vereins, der sich seit 1993 „Jugendbehindertenhilfe Siegburg Rhein-Sieg e.V." nennt. Jetzt machte man sich an die Planung des bislang größten Projekts: die „Kinderburg", die 1996 öffnen konnte. Auf dem von der Stadt bereitgestellten Grundstück errichtete Hartmut de Corné ein Gebäude für 20 behinderte und 40 nichtbehinderte Kinder. 2002 erhielt sie den Namen Kinderburg „Veronika Keller". Damit sollte die treueste Wohltäterin geehrt werden, die von Anfang an die JBH unterstützt. 1997 führte die Bundeswehr mit der JBH in der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn erstmalig die integrativen Jugendspiele durch. Später zogen diese nach Siegburg ins Walter-Mundorf-Stadion, und wurden 2010 aufgrund mangelnden Interesses der Schulen eingestellt. Außerdem ermöglichte die JBH ab 2001 ein therapeutisches Reiten auf ausgesuchten Reithöfen. Im August 2008 übernahm der Verein auf Bitten der Kommune mit den „kleinen Strolchen" eine zweite Kindertagesstätte in Stallberg, da sich die katholische Kirche aus finanziellen Gründen aus der Trägerschaft zurückzog. Nach diversen Baumaßnahmen feierte dieser traditionelle Kindergarten im Juni 2013 ein grandioses „Einweihungsfest". 2009 wurde auch in der Kinderburg „Veronika Keller" gebaut. Die An- und Umbauten unter der Regie von Hartmut de Corné waren im Dezember beendet und ermöglichten die Aufnahme von Kindern unter drei Jahren. Im gleichen Jahr starteten auf dem Mühlengraben zum ersten Mal 3.000 Plastikenten zugunsten der JBH-Einrichtungen. Dieses Ereignis entwickelte sich über die Jahre hinweg zu einem beliebten Familienfest, das nur dank dem Einsatz von engagierten Sponsoren möglich ist. Durch die großartige Unterstützung von Veronika Keller ist es seit 15 Jahren zusätzlich gelungen, den Kölner Spielecircus in die Kreisstadt zu holen. Nach der Gründung des „Integrativen Familienzentrums Wolsdorf", in Partnerschaft mit der Kindertagesstätte „Pauline", sollte 2012 ein weiteres innovatives Pilotprojekt folgen. Mit der Entwicklung der „Ball-Kids" entstand eine inklusive Sportgruppe, in der die Kleinsten den Umgang mit Bällen trainieren. Durch Spaß an Bewegung schaffen die Kinder gemeinsam eine Grundlage, die ihnen später den Eintritt in einen Sportverein erleichtert. In Kooperation mit dem Siegburger Turnverein entwickelte sich ein phänomenaler Effekt. Kinder mit Förderbedarf konnten ihre Defizite aufholen und viele Übungen, die ihnen anfänglich schwerfielen, letztendlich bewältigen. Im Oktober 2014 gründete man eine zweite „Ball-Kids"-Gruppe in der Stallberger Kindertagesstätte, mit dem Schwerpunkt Migration. Der Gedanke, die oft gar nicht deutlich erkennbare Barriere, also den „Zaun" zwischen den „Gesunden" und den „Behinderten" in unserer Gesellschaft niederzureißen, kommt heutzutage im Zuge der „Inklusion" überall zum Tragen. Die drei Jahrzehnte beweisen, dass die JBH oft Vorreiter war und auch in Zukunft mit engagierten, innovativen Ideen weiterhin sein wird.

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